Thalis Weizmann: "Hi mein Name ist Thalis und ich laufe Parkour seit 2006.

Damals habe ich mit zwei guten Freunden Videos von David Belle und Cyrill Raffaelli gesehen. Wir dachten erst dieses Bewegungslevel ist unerreichbar für uns aber dann haben wir auf Youtube Videos von anderen Anfängern gefunden und uns gedacht „Das können wir auch!“ Am nächsten Tag haben wir uns dann mit Fahrradhandschuhen ausgestattet auf unserem Schulhof getroffen und direkt losgelegt. Wir haben uns die Mauern raufgequält und uns gefragt ob man mit einer Flugrolle von Dach zu Dach fliegt oder lieber erst abrollt nachdem man gelandet ist. Das mag heute vielleicht Blödsinnig erscheinen aber das Privileg in größeren Gruppen zu trainieren, wo erfahrende Traceure dir ihr Know-How vermitteln war damals noch nicht so verbreitet. Das erste größere Treffen fand dann für uns in Bochum an der Ruhr Uni mit Cikey (MoLife Parkour), Dynamic Concepts (damals noch Devil Clan), PK Bochum (R.I.P.), PK Liberty (?) und TBR (The Black Runners) statt. Mir persönlich ist diese „Jam“ immer im Gedächtnis geblieben weil es sich ein Stückweit wie eine Urban Rebellion angefühlt hat. Ich erinnere mich noch heute gern zurück wie ca. 30 Bekloppte „grüne Ampel“ schrien und dann über die Straße rumpelten… Good Times!

 

Seitdem ist viel Zeit vergangen und ich habe selber viele Veränderungsprozesse in meinem Training und Verständnis von Parkour durchlaufen. Nach ca. 1 ½ Jahren Training hab ich Patellaspitzensyndrom (das beliebte Jumpers Knee) bekommen weil ich falsch trainiert habe. Viele Drops und Maximalsachen ohne die nötige Muskulatur und Technik. Dann war ich sehr frustriert und habe nur noch sporadisch bis gar nicht trainiert. Ein einschneidendes Erlebnis war in dieser Hinsicht mein Besuch in Lisses und Evry 2008 mit Marvin, einem meiner besten Freunde. Dort habe ich wahrlich den Spirit gesucht und auch gefunden. Als ich die Jungs und Mädels mit Yann Hautra (von den Yamakasi) trainieren sah, wurde mir klar, dass Parkour wirklich eine „Disciplin of life“ darstellt. Vorher habe ich nur behauptet, die Parkourphilosophie zu leben, nach dieser Reise habe ich es auch wirklich versucht. Total dankbar bin ich deswegen auch meinem anderen besten Kumpel Yogi, der uns gezeigt hat was Flow und Kreativität bedeutet und dass Katzenpräzis halt nicht alles sind. Mit dem neuentdeckten Wissen hab ich hart an mir gearbeitet um mich aufzubauen und die Knieschmerzen erfolgreich zu bekämpfen. Ab 2009 haben wir uns dann als Automatic Tracer Crew (Yogi ging’s mehr um die Abkürzung „ATC“ statt um die Bedeutung der selbigen^^) durch Workshopangebote für und mit der Stadt Dortmund dafür eingesetzt, dass möglichst jeder unabhängig vom Geldbeutel oder sozialer Herkunft mit uns kostenlos Parkour trainieren kann. Seitdem haben wir viele Freunde gewonnen aber leider sind auch einige wieder abgesprungen. So ist das halt im Leben aber das tut dem Spaß keinen Abbruch. Jedes Jahr organisieren wir zudem eine Dortmunder Parkour Convention…kommt doch mal vorbei ;-)

 

Meine schönste Erinnerung in Bezug auf Parkour war ein Solotraining im Winter 2010 oder 2011. Es hat super geschneit und der Schnee lag meterdick auf dem Boden. Ich habe mich gegen Abend winterfest angekleidet und hab eine Schneesession geschoben. Dann bin ich auf ein stillgelegtes Viadukt in Dortmund Hörde geklettert, was seinerzeit von einem Bauzaun umgeben war. Es war Nacht, ich hatte eine Kapuze auf und Assassins Creed Brotherhood Musik auf dem MP3 Player…geniale Situation :-D Der Ausblick über die unwirkliche Schneelandschaft von da oben war wirklich grandios!

 

Was ist Parkour für mich?

Parkour ist vor allem ein Instrument der steten Selbstfindung. Parkour lässt sich für mich mit den Attributen Freiheit, Spaß, Selbstverwirklichung aber auch (moralische) Verantwortung beschreiben. Die Disziplin hat mir geholfen, meine Persönlichkeit zu entfalten und treibt mich stetig dazu an ein besserer Mensch zu sein als ich bin aber ich sehe da auch meine Verantwortung im Bezug auf die Generation(en) nach mir, die Parkour laufen, denen ich ein vernünftiges Bild davon vermitteln möchte. Ziel ist es nicht, Jemanden zu meiner Sichtweise zu bekehren, sondern einen Denkanstoß dafür zu geben, dass jeder neue Traceur in sich einen Teil des Vermächtnisses der Bewegungskunst trägt. Die ursprüngliche Philosophie und ihre Werte sind für mich ziemlich zeitlos und ich freue mich, wenn in der Szene wieder mehr darüber reflektiert wird. Denn das ist es schließlich, was uns von einer bloßen „Trendsportart“ unterscheidet! Wir sind eine weltweite Familie von „Bewegungskünstlern“. Jeder ist für sich aber gleichzeitig auch mit und für alle anderen Teil dieser Familie.

 

Ich hatte in meiner (Parkour)Vergangenheit schon viele persönliche Helden. Im Kinderalter war das vor allem Spiderman (seitdem ist es eher Batman weil er keine Superkräfte braucht und nie rum heult wie Peter ). Hinzu kommen reale Menschen wie Gandhi oder Mandela, die sich für etwas Größeres als sie selbst einsetzten und dadurch erst wahre Größe bewiesen haben. Als ich mit Parkour angefangen habe waren das ganz klar die Jungs von 3RUN und David Belle, aber auch Artur, Daniel, Thomas und Hamza vom Devil Clan. Mit der Zeit wurde Daniel Ilabaca mein größtes Vorbild, den ich auch schon dreimal Treffen durfte. Meine Einstellung zu Vorbildern und Helden hat sich aber grundlegend geändert. Niemand ist perfekt (auch Batman nicht^^) und in erster Linie sind die Parkourpros da draußen Menschen mit eigenem Charakter und Problemen. Da mich viele Leute von ihrer Einstellung zur Kommerzialisierung von Parkour enttäuscht haben, sehe ich mir ihre Videos zwar immer noch gern an und lasse mich inspirieren, aber ich sehe die Bewegungen eher entkoppelt von den Personen. Außerdem versuche ich nicht mehr Gesehenes 1:1 zu kopieren wie in meiner Anfangszeit, denn ich habe viel mehr Spaß daran, meinen eigenen Stil zu kreieren und meine Ideen zu verwirklichen. Freude bereiten mir vor allem kurze bis längere Runs und Kombinationen von Bewegungen, die z.T. effizient, z.T. ausgefallen sind. In letzter Zeit konzentriere ich mich dazu noch mehr auf die Umgebung, um die besonderen Eigenschaften eines Ortes mit meinem Parkour zu betonen.

 

Wenn ich Mottos für mein Training suchen müsste wäre es: 1) „Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört etwas zu werden.“ Und 2) „Trainiere so, dass du mit dir zufrieden und besser bist als am Tag davor“. Das ist nicht nur wörtlich zu nehmen sondern meint den ganzen Zeitraum meiner Parkourkarriere. Das erste Motto beschreibt kontinuierliche Entwicklung, das zweite Motto beschreibt eine allgemeine Lebenseinstellung. Auch wenn es mal schlechter läuft sollte man niemals aufgeben und sich nicht mit anderen vergleichen (muss ich auch immer wieder neu lernen^^). Denn man hat nur seine eigenen Standards und Prinzipien, die zählen und am Ende ist es nur wichtig dass man mit sich selbst im Reinen ist. Im Bezug auf Freunde, Bekannte usw. ist das genauso. Wer selbst nicht mit sich glücklich ist kann auch keinen anderen glücklich machen (auch das muss ich immer wieder neu lernen). Training bezieht sich nie nur auf den Körper und auf Parkourskills sondern immer auch auf das Mentale und die Einstellung zu sich und der Welt.

 

Beste Grüße und habt Spaß an der Bewegung,

 

Thalis

 

ATC Parkour Dortmund

 

P.S.: „Train safe and keep smiling!“ -Chris „Blane“ Rowat-"

- Datum: 25. ‎November ‎2013

Video: 3. Dortmunder Parkour Convention - ATC Herbst Workshop 2012 von Julian Schuster

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