Parkour, mein Weg zur Selbstverwirklichung

Verfasser: Christian Kirschnick (Cikey)

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Parkour, mein Weg zur Selbstverwirklichu
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Kapitel 1    Was ist Parkour?

Was ist Parkour? Über diese Frage könnte man ein Leben lang philosophieren, ohne wirklich jemals mit anderen Individuen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

 

1.1    Definition von Parkour

Laut Definition aus dem Buch „Parkour & Freerunning. Entdecke deine Möglichkeiten.“ „[wird Parkour] als Bewegungsdisziplin oder auch als Bewegungskunst beschrieben, bei welcher der Teilnehmer, Traceur (französisch: der, der eine Linie zieht) genannt, andere Wege einschlägt, als die, die ihm auf architektonische oder kulturelle Art und Weise vorgegeben sind. Der Traceur wählt sich seinen eigenen Weg durch den natürlichen oder urbanen Raum und läuft entlang eines sich selbst vorgegebenen Weges. Dabei überwindet er jegliche Hindernisse, die sich ihm auf diesem selbstgewählten Weg entgegenstellen. Die Hindernisse werden so schnell und so effizient wie möglich überwunden, wobei die Kontrolle der Bewegungsausführungen und der Bewegungsfluss der Bewegungskombinationen im Vordergrund stehen. Parkour wird als Kunst der effizienten Fortbewegung verstanden.“ (Gerling, Pach & Witfeld,  2012, S. 26)

 

1.2    Geschichtlicher Hintergrund und Entwicklung von Parkour

Weiterhin wird in dem Buch auch der Ursprung von Parkour beschrieben, welcher in der Trainingsmethode „Méthode naturelle“ (deutsch: „natürliche Methode“ liegt. Diese Trainingsmethode wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom französischen Marineoffiziers Georges Hébert (1875-1957) entwickelt. Hébert war von den körperlichen und geistigen Leistungen der Menschen, denen er während seiner Reisen auf dem afrikanischen Kontinent begegnet ist, fasziniert. Er unterrichtete nach seiner Rückkehr nach Frankreich an der Universität Reims. Dort führte er einen zur damaligen Zeit nicht gekannten Lebensstil ein. Mit seinen Studenten trainierte er auf natürlichen Terrain Laufen, Springen, Klettern, Balancieren, Selbstverteidigung und Schwimmen. Diese Einzeldisziplinen kombinierte er mit einem 5-10 Kilometer langen Dauerlauf. Hébert war davon überzeugt, dass seine Studenten ihre Fähigkeiten in Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit in jeden Gegebenheiten, durch ein Bewegungstraining in komplexer natürlicher Umgebung, anwenden können. Hébert hielt Konkurrenzkämpfe für eine Ablenkung von den eigentlichen Kerngedanken seiner gelehrten Trainingsprinzipien die er gelehrt hat. Der heute verwendete Begriff Parkour hat seinen Ursprung von Héberts Begriffsverwendung „parcours“ (Atkinson, 2009) und vom französischen Militär, das den Begriff „parcours du combattant“ (Foucan, 2014) verwen-det hat. Das heutige Erscheinungsbild von Parkour kann als spezielle urbane Interpretation von Georges Héberts konzipierten Trainingsprinzipien verstanden werden. (Gerling, Pach & Witfeld, 2012, S. 19f)

 

In den 1960er Jahren wurde das Militär von der „Méthode naturelle“ während des  Indochinakriegs inspiriert. Das Prinzip wurde genutzt, um Fluchttechniken im unwegsamen Terrain des Dschungels zu optimieren, um dadurch die Überlebenschancen zu verbessern. (Atkinson, 2009) Raymond Belle, war einer der Soldaten, der während dieses Krieges diente und die Prinzipien der „Méthode naturelle“ gelernt hat. Raymond Belle war der Vater und das Vorbild von David Belle, dem Begründer der heutigen Form von Parkour. David Belle war schon früh in den Sportarten Turnen und Leichtathletik aktiv, doch er trainierte bevorzugt im Freien und in den Wäldern. Seine erlernten Fähigkeiten übertrug er später auf die urbane Umwelt der städtischen Architektur, die er versuchte kreativ und spielerisch zu nutzen. Durch seine spielerische Art der Fortbewegung wur-den andere Jugendliche in seiner Umgebung inspiriert. Aus dieser spielerischen Art und Weise der Fortbewegung wurde bereits im Jahre 1989 der Begriff „parcours“ (Foucan, 2014) von den Jugendlichen verwendet. Zu dieser Zeit lernte David Belle, Sébastien Foucan kennen, der heute als Begründer des Freerunning gilt, das eine abgewandelte Form von Parkour darstellt. (Gerling, Pach & Witfeld, 2012, S. 22-24) 

 

Ende der 1990er Jahre gewann Parkour durch die Massenmedien Fernsehen und Internet an Aufmerksamkeit und fand schnell viele interessierte Anhänger. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von aktiven Gruppen und eine weltweit vernetzte Parkour-Community. Es gibt regelmäßig verschiedene Parkour-Veranstaltungen (z.B. FAM-Jam, Passion Session, KRAP-Invaders, Ruhrpott-Jam, etc.), Workshops (z.B. Parkour-Camp in Gütersloh, etc.) und auch im Schulsport wird Parkour praktiziert. Parkour findet Platz in Shows und Events, im Fernsehen und Kino und obwohl Parkour weder von Georges Hébert, noch von David Belle und Sébastien Foucan als Wettkampfdisziplin verstanden wird, gibt es Wettbewerbe (z.B. Red Bull Art of Motion, Parcouring World Championships, Ultimate Parkour Challenge, etc.), die aber innerhalb der Community auf große Kritik stoßen. Die Parkour-Szene hat sich seit den 1990er Jahren rasant entwickelt und entwickelt sich vielfältig weiter. (Gerling, Pach & Witfeld, 2012, S. 28f)

 

1.3    Parkour ist weit mehr als die Definition

Diese Aussagen stellen meiner Meinung nach eine rein objektive Darstellung von Parkour dar, was oberflächlich betrachtet vollkommen akzeptabel ist. Doch man sollte tiefer hineinblicken und verstehen, dass man Parkour nicht oberflächlich betrachten sollte, da Parkour was vollkommen persönliches ist, deswegen werde ich hier nur meine Sichtweise von „Parkour“ beschreiben können und vorab sagen, dass Parkour weit mehr als nur die Überwindung von Hindernissen ist, weit mehr als die Kunst der effizienten Fortbewegung, weit mehr als eine Weiterent-wicklung der „Méthode naturelle“, es ist vor allem das was man selber daraus macht. Jeder muss Parkour für sich selbst erfahren.

 

Kapitel 2    Parkour, Mein Weg zur Selbstverwirklichung

2.1    Das Streben nach Glück

„Parkour“ ist für mich nur ein Wort und schon lange nicht mehr isoliert als: „Die Kunst der Fortbewegung (l’Art Du Deplacement)“ zu betrachten, sondern vielmehr als: „Mein Weg zur Selbstverwirklichung“. Ich strebe danach ich selbst zu sein. 

In der heutigen Zeit, wer kann das wirklich von sich selbst aus behaupten? In einer Zeit in der wir so viele gesellschaftlich auferlegten Rollen spielen müssen, die uns zu schauspielerischer Höchstleistung führen. Viele scheinen mir wie Schauspieler, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie spielen Rollen, von denen sie mehr, oder weniger überzeugt sind. Und am Ende glauben sie selbst, dass das ihr wahres „Ich“ ist. Kann man da wirklich glücklich sein, jemand zu sein, der man in Wahrheit gar nicht ist, nur weil die Gesellschaft das von einem erwartet? 

 

Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“– Immanuel Kant. Wörtliche Bedeutung: "Wage es, vernünftig zu sein!"

 

2.2    P-A-R-K-O-U-R I-S-T N-U-R E-I-N W-O-R-T

P-A-R-K-O-U-R ist nur ein Wort, bestehend aus sieben Buchstaben. Was du aus den sieben Buchstaben gebildetem Wort machst, das sollte dir selbst überlassen sein. Das ist wie mit dem Wort L-I-E-B-E. Jeder hat seine individuelle Vorstellung von Liebe, deswegen gibt es auch oft Meinungsverschiedenheiten und Konflikte bei der Umsetzung der eigenen Vorstellung von Liebe. Obwohl es doch eigentlich eine Grundhaltung zum Begriff „Liebe“ geben sollte? Aber das ist wie mit Bäumen. Für die einen sind Bäume, nur Bäume, für die anderen, die sich mehr auskennen: Buchen, Linden, Eichen, etc. Für die, deren Fachgebiet Bäume sind: Fagus, Tilia, Quercus, etc. Dann gibt es noch die, die den gleichen Begriff meinen, aber es in einer anderen Sprache ausdrücken: Baum, Tree, Arbre, Puno, Albero, etc. Und dann gibt es noch die, die in einem Baum nicht nur einfach einen Begriff sehen, sondern den Rohstoff Holz. Und für die, die mit dem Rohstoff Holz sogar umgehen können, sind Bäume: Stühle, Tische, Werkzeuge, etc. Diese Menschen setzen sich meiner Meinung nach wirklich mit dem Leben auseinander, denn sie kreieren. 

 

Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun.“ - Johann Wolfgang von Goethe (Werk: Wilhelm Meisters Wanderjahre)

 

Anhand des Beispiels mit dem Baum sieht man, dass es sogar wortwörtlich immer das ist, was man daraus macht. Ich mache aus einem Baum, einen Tisch, oder ich mache sprichwörtlich aus einer Mücke einen Elefanten.

 

Wo andere eine Sitzbank zum Sitzen sehen, sehe ich ein Hindernis und in Hindernissen sehe ich Möglichkeiten. 

- Video zur Veranschaulichung: NOTHING IS SOMETHING - #1 The bench

Link: https://www.youtube.com/watch?v=uGT0Cpcz7kE

The city was not designed for our movements. We could – and we can nowadays – choose to complain about everything missing around us, or choose to transform that little nothing into something. […] Nothing is something and everything is in you.” (Piemontesi, 2012).

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Manche nennen es Parkour. Andere nennen es Freerunning. Wieder andere benutzen schlicht das Wort Training. Wie man es auch nennen mag, es geht immer um Fortschritt; Jeder große Schritt beginnt im Kleinen.“ (Dahl, 2012)

- Zitat aus dem Video: Parkour Documentary: People in Motion

Link: https://www.youtube.com/watch?v=QH09YCtpKaw

 

Ein kleiner Satz bezüglich „Definition“ zum Nachdenken: Was ist die Definition von „Definition“? Wenn man nicht weiß, was „Definition“, oder das Verb „definieren“ bedeutet, wie soll man „Definition“ definieren?

 

Kapitel 3    Der Weg ist das Ziel

3.1     1500 Jahre Beständigkeit

Da Parkour aus meiner Betrachtungsweise nur ein Wort ist, möchte ich Parkour jetzt in Bezug zu einem anderen Wort setzen. Einem Wort das seinen Ursprung vor etwa 1500 Jahren hat. Ein Wort, das eine langjährige Beständigkeit und Tradition vorweisen kann. Dieses Wort ist „Kung Fu“. „Wörtlich übersetzt aus dem Chinesischen bedeutet [Kung Fu] "harte Arbeit" oder "Können durch Anstrengung"“ (Glückselig, 2005) und wird oftmals nur als reine Kampfkunst wahrgenommen, doch die Bedeutung des zusammengesetzten Begriffes hat in der chinesischen Philosophie eine weitaus tiefere Bedeutung. 

 

In den folgenden Abschnitten, werde ich „Parkour“ mit „Kung Fu“ gleichsetzen, um mein Verständnis von Parkour zu veranschaulichen. Ich werde den Begriff „Kung Fu“ mit dem Begriff „Parkour“ austauschen und man kann sich selber ein Bild davon machen, wie dadurch der Begriff „Parkour“ auf einen wirken wird. Vielleicht kann ich dadurch ein neues Bild von „Parkour“ vermitteln, oder das gegenwärtige Verständnis mit der Betrachtungsweise von „Kung Fu“ bestätigen und veranschaulichen.

 

3.2    „Höchste Perfektion durch stetes Üben“

„[Parkour ist das] Unterfangen des Menschen, sich durch ständiges Bemühen zu vervollkommnen. [...] [Was immer wir auch tun], stets kommt in unserem Tun unsere innere Verfassung zum Ausdruck. [...] Wenn wir unser Handeln vervollkommnen, vervollkommnen wir uns selbst.“ (Abelar, 2001)

 

In diesem Sinne ist [Parkour] die Arbeit an der eigenen Person durch die konsequente Hingabe an eine Kunstfertigkeit. Neben der wörtlichen Bedeutung ist dies auch ein Hinweis auf die spirituellen Dimensionen und den Einfluss des Dào auf die Praxis der einzelnen Disziplinen. Dào heißt wörtlich aus dem Chinesischen übersetzt „Weg“, „Straße“, „Pfad“ und bedeutete in der klassischen Zeit Chinas „Methode“, „Prinzip“, „der rechte Weg“, was dem Wort im Konfuzianismus entspricht. Die moderne Sinologie erachtet es aber für besser, es als eigenständigen Begriff unübersetzbar zu gebrauchen, da die Inhalte für ein Wort zu umfassend sind. [Die Sichtweise des Dào kann auch für Parkour gelten].

 

Salzman (1999) beschreibt in seinem Buch „Eisen und Seide“, dass [Parkour] auch eine „nicht messbare Qualität“ ist, die einer Sache innewohnt. Ein gemaltes Schriftzeichen kann [Parkour] haben – der Schöpfer hatte, wie oben nach Abelar (2001) beschrieben, langes Training in die Vervollkommnung seiner Kunst investiert. So können Dinge, aber auch Tätigkeiten, wie z. B. Tanz, Musik, Kampfbewegungen, [Lesen, Schreiben, ins Kino gehen, essen und trinken, schlafen, arbeiten, für Prüfungen lernen, sich verlieben, einen Freund verlieren, einen Freund kennen lernen, mit jemanden streiten, mit jemanden lachen etc.], über [Parkour] verfügen. [Parkour ist überall und nicht nur in den Parkour-typischen Bewegungsformen enthalten.]

 

3.3    [Parkour] Philosophie

 „Hinter [Parkour] steht nicht nur die Schule der Kampfkunst, sondern auch eine ganze Philosophie für Körper und Geist. [Parkour] was übersetzt etwa so viel heißt wie „Harte Arbeit“ lehrt den Schüler Selbstbeherrschung und Disziplin. Im System des [Parkour] spielen die Theorien von Yin&Yang und den „5 Elementen“ eine wesentliche Rolle.

 

Yin&Yang:

Das Yin&Yang zeigt auf wie wichtig Gegensätze sind, weil das eine nicht ohne das andere existieren kann, wie z.B. ohne Nacht gäbe es keinen Tag. Das Yin steht dabei für das weibliche, ruhende, dunkle, negative und das Yang für das männliche, aktive, helle, und positive der chinesischen Philosophie. Im [Parkour] ist Yin&Yang bekannt als Gesetz der Harmonie und besagt, dass man mit und nicht gegen die Kraft [seiner Umwelt] wirken soll. Dieses Prinzip schafft so die besten Begebenheiten, sich selbst zu verteidigen. 

 

5 Elemente:

Die 5 Elemente (Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser), welche aus der Interaktion von Yin&Yang entstehen, beschreiben im Grunde dasselbe wie Yin&Yang. Hier gibt es einen Förderungszyklus (Holz bringt Feuer, Feuer bringt Erde, Erde bringt Metall, Metall bringt Wasser) sowie einen Kontrollzyklus (Holz bezwingt Erde, Erde bezwingt Wasser, Wasser bezwingt Feuer, Feuer bezwingt Metall, Metall bezwingt Holz). Diese 5 Elemente widerspiegeln sich in den Formen des [Parkour]. So gibt es harte wie auch weiche, schnelle wie auch langsame Techniken. Auch hatten der Chan-Buddhismus, der Taoismus, der Konfuzianismus und das I-Ging einen starken Einfluss auf die Entfaltung des [Parkour].

 

Chan-Buddhismus (gleichgesetzt mit Parkour):

Im [Parkour] erreicht der Mensch seine Vollkommenheit durch [Training]. [Parkour] lehrt sich im Hier und Jetzt zu befinden und keine Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft zu verbrauchen. Man soll sich loslösen von Wünschen, Sorgen, Leidenschaften und die Dinge so genießen wie sie sind, ohne an ihnen gebunden zu sein. Durch [das Ausüben von Parkour] entleert der Schüler seinen Kopf von unnötigen Gedanken. Nur so ist er voll Aufnahmefähig und kann ohne zu Überlegen instinktiv auf [seine Umwelt] reagieren. Erst wenn der Geist frei von Aggressionen oder Ängsten ist, kann man [Situationen vernünftig einschätzen] und entsprechend darauf reagieren. [Parkour] steht für Härte und Disziplin.

 

Taoismus (gleichgesetzt mit Parkour): 

Im [Parkour] steht […] das zentrale Element […] „Weg“ [...]. Jedoch sollte man [den Weg], als eine unübersetzbare Definition eines umfassenden Weltprinzips verstehen, welches dem Menschen rein rational zugänglich ist. Der Mensch soll im Einklang mit diesem Gesetz leben und deshalb gilt der Grundsatz des „Handeln, durch nicht Handeln“. Der Sieger ist derjenige, der nachgibt, das heißt, man soll seine Handlungen denen [seiner Umgebung] anpassen. [Parkour] steht für Weichheit und Nachgiebigkeit.

 

Konfuzianismus (gleichgesetzt mit Parkour): 

[Parkour] regelt die zwischenmenschlichen Beziehungen. Das Leben des Menschen wird von […] Beziehungen bestimmt […] Diese […] Beziehungen werden durch die Tugend der Menschenliebe, der Gerechtigkeit und der Ehrerbietung bestimmt.

 

I-Ging (gleichgesetzt mit Parkour):

[Parkour] beschreibt wie sich die Dinge im Wandel befinden, ständig Veränderungen unterworfen sind. Alles was im Universum geschieht, wird mit dem was sich auf der Erde und dem Menschen ereignet in Verbindung gebracht. […] Lebewesen werden geboren und sterben wieder. Erfolg und Misserfolg, Sieg und Niederlage, Freude und Schmerz unterliegen dem Schicksal des Wandelns. Alles im Universum wandelt sich, nichts bleibt und ist ewig von Dauer. Im [Parkour] wird dieses Prinzip genutzt indem man z.B. vom Vorwärtsgehen ins Rückwärtsgehen umschaltet oder dass man die Niederlage in einen Sieg umwandelt.

 

Man wird nie fertig gelernt haben, denn je höher man im [Parkour] kommt, desto mehr merkt man, dass man eigentlich noch nichts weiß. Die Schule des [Parkour], dauert ein ganzes Leben lang und ist deshalb auch nicht mit […] anderen [Sport]arten zu vergleichen. Denn [Parkour] ist eine Kunst, kein Sport. (Fenner, Meier & Schneebeli, 2004)

 

[Parkour] lebt in allem, was wir tun. Es lebt darin, wie wir eine Jacke anziehen, wie wir eine Jacke ausziehen und lebt darin, wie wir andere Menschen behandeln. Es ist alles [Parkour].“ – Jackie Chan (Karate Kid)

 

3.4    Individualität vor Gleichheit

Aus meiner Sicht ist Parkour im Gegensatz zu Kung Fu wesentlich freier und unterliegt keinem, von einer Institution gesetzten Leistungsdruck. Man selber ist sein Herr und Meister und ist nicht an bestimmte Werte, Normen und Strukturen (Vorgaben) gebunden, die praktiziert werden müssen. In Kung Fu gibt es Pflichten, die eingehalten werden müssen, ansonsten drohen Sanktionen. Härte und Disziplin wird dem Schüler abverlangt. In Parkour kann man selber bestimmen wie hart und diszipliniert man trainiert, man muss jedoch unter Umständen mit Einschnitten im Leistungsfortschritt rechnen, wenn die Motivation und die Leistungsbereitschaft kaum bis gar nicht vorhanden ist. 

 

Kapitel 4    Parkour Spots NRW

Parkour Spots NRW (Webseite: www.parkourspotsnrw.de oder facebook: www.facebook.com/parkourspotsnrw) ist eine Seite die inspirieren soll. Diese Seite soll keineswegs ein „SPOT-Denken“ ausprägen, oder die „einzigen“ Orte zeigen, an denen man trainieren kann. Das Projekt kann genutzt werden, um Orte zu entdecken und um selber aktiv zu werden. Ich möchte die Menschen miteinander verbinden und für jeden, neue Wege entstehen lassen, die man vorher vielleicht alleine gar nicht wahrgenommen hätte. 

 

4.1    SPOT-Meetings

Die SPOT-Meetings, die aus dem Projekt „Parkour Spots NRW“ entstanden sind, betrachte ich als eine Art Möglichkeit für Menschen neue Orte zu erkunden, sich mit anderen auszutauschen und neue Erfahrungen zu sammeln. Jeder entscheidet frei für sich, wann er kommt, wie lange er bleibt, oder wohin er geht. Und darauf sollten die SPOT-Meetings eigentlich hinaus laufen. Es soll die Menschen zum Entdecken inspirieren und die Eigenständigkeit fördern. Doch ich bin mit den SPOT-Meetings auf Grenzen gestoßen. Grenzen der Selbstdarstellung, die für Parkour, ein in der Öffentlichkeit negatives Image erzeugt.

 

Kapitel 5    Das Problem der Selbstdarstellung

Selbstdarstellung, ein Phänomen, das meiner Meinung nach, in einer immer ausgeprägteren Form auftaucht. In Zeiten des Internets, in der man via facebook Fotos/Videos von sich hochladen und an Freunde versenden kann, die dieses Bild/Video „liken“, weiter „teilen“ und sogar, wenn die Bequemlichkeit nicht vollkommen an Oberhand gewonnen hat, „kommentieren“ können. Kommentar: „geil!“ – „Gefällt mir“ – „lol“ – „richtig geil“ – „mega geil“ – „ultra porno geil“. 

 

Selbstdarstellung macht sich in einer Form bemerkbar, die sogar sichtlich destruktive Ausmaße annimmt. Menschen verletzen sich auf Jams, auf SPOT-Meetings gerät man in Konflikte mit der Öffentlichkeit und Monumente werden nicht aus sportlicher Intention bestiegen, sondern um der Selbstdarstellung willen. Menschen laufen draußen mit der Einstellung rum, dass man draußen keine Grenzen hat und machen darf, was man will. Die Selbstdarstellung nimmt ungeahnte Ausmaße an und mir stellt sich seit dem 10. SPOT-Meeting die Frage: 

 

Warum gehen Menschen zu SPOT-Meetings und sonstigen Events/Veranstaltungen? Will man sich mit anderen austauschen? Will man was lernen? Will man die Fähigkeiten verbessern? Neue, positive Eindrücke mitnehmen? Will man sich persönlich bereichern? Oder Will man sich lediglich selbst präsentieren und den Menschen um sich herum zeigen, dass man existiert. 

 

„Der Mensch, er ist lediglich, allerdings nicht lediglich wie er sich auffasst, sondern wie er sich will, und wie er sich nach der Existenz auffasst, nach diesem Elan zur Existenz hin; der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht.“ - Jean-Paul Sartre, Der Existentialismus ist ein Humanismus (L’existentialisme est un humanisme)

 

5.1    Was ist Selbstdarstellung? 

Selbstdarstellung ist eine Inszenierungsstrategie, um ein bestimmtes Ansehen bei anderen zu bewirken. Ziel ist die Inszenierung eines erwünschten Selbst mit der wesentlichen Funktion, den sozialen Einfluss zu erweitern. Daher steuern, beeinflussen und kontrollieren Personen in sozialen Interaktionen den Eindruck, den sie auf andere Personen machen. (Mummendey, 1995, S. 111)

 

Selbstdarstellung kann den Zweck haben soziale Anerkennung, Belohnung oder Zuneigung zu erhalten, was wiederum das Selbstwertgefühl steigert. Das Ziel soziale Zustimmung und Belohnung zu erhalten, wird durch eine bestimmte Selbstdarstellung versucht zu erreichen. Als soziale Verstärker dienen z.B. Status, Expertentum, Informationsmacht, aber auch Attraktivität. Wie sich jemand darstellt, hängt von der Situation und dem Publikum. Ebenfalls wird die Selbstdarstellung davon beeinflusst, ob die Person damit rechnet, dass ihr Verhalten öffentlich feststellbar ist (wie z.B. auf JAMs). Eine Person, die sozial anerkannt werden will (z.B. im Freundeskreis) versucht sich selbst als möglichst attraktiv darzustellen. Als weitere Techniken der Selbstdarstellung können Sport, körperliche Betätigung sowie riskante Verhaltensweisen genannt werden (Leary, 1996). Risikoreiches Verhalten scheint insbesondere bei jungen Männern vorhanden zu sein, die bei ihren Freunden einen bleibenden Eindruck hinterlassen wollen. Es ist hinreichend erforscht, dass jüngere Männer gesundheitliche Risiken in Kauf nehmen, um ein gewisses Bild des unerschrockenen und heldenhaften Mannes zu erzeugen. Bezugnehmend auf die Problemstellung, dass Männer verschiedene Risikoverhaltensweisen zur Selbstdarstellung zeigen, kann vermutet werden, dass Männer mit einem niedrigen Selbstwertgefühl durch ihr Umfeld angeregt, vermehrt attraktivitätssteigernde, gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen zeigen, um dadurch ihr Ziel der sozialen Zuwendung zu erreichen. (Diss.fu-berlin, ohne Datum)

 

Zum Verständnis von „Selbstwertgefühl“: 

Das Selbstwertgefühl ist die Einschätzung der eigenen Person hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und die Abschätzung des eigenen Wertes innerhalb der Gesellschaft. Es ist ein vergleichendes Gefühl, das durch soziale Anerkennung gestärkt werden kann. Minderwertigkeitsgefühle führen zu persönlicher Verunsicherung oder können ein kompensatorisches Verhalten herbeiführen. (Diss.fu-berlin, ohne Datum)

 

5.2    Fragwürdige Selbstdarstellung

Eine Person verhält sich, wie schon in Kapitel 5.1 beschrieben, unter verschiedenen situativen Bedingungen variabel. Das variable Verhalten ist darauf zurückzuführen, dass die Person unterschiedliche Einstellungen über sich selbst in den einzelnen Lebensbereichen hat und sich folglich in dem spezifischen Umfeld anders darstellen möchte. Das Individuum bemüht sich, seine eigene Identität darzustellen, geht jedoch über die konkrete Interaktion hinaus und streut noch weitere, für seine Person wichtige Informationen ein. Nach Krappmann provoziert das Individuum mit den Rol-len, spielt mit ihnen, überdramatisiert sie und bringt auf all diesen Wegen ein Element von Fragwürdigkeit, von Unentschlossenheit und Distanz in sein Handeln, das dem Beobachter veranlasst, zu prüfen, wie das, was sein Gegenüber tut, zu verstehen ist. (Krappmann, 1975, S. 170)

(z.B: „Warum macht er diesen riskanten Sprung, den kaum ein anderer wagen würde? Warum geht er dieses Risiko ein?“)

Dieses Spiel mit den Rollen und die dadurch entstehende Selbstdarstellung, helfen dem Menschen die private Identität zu konstruieren und aufrechtzuerhalten (Gollwitzer & Wicklund, 1982). Doch was eigentlich ist die Identität?

 

5.3    Identitätsbildung

Was ist Identität? 

„Wir erleben uns im Allgemeinen in Übereinstimmung mit uns selbst. Das bedeutet: Wir haben das Empfinden, ein einmaliges Wesen zu sein und ein Wesen mit Vergangenheit und Zukunft, uns von anderen zu unterscheiden, in vielem anderen aber auch ähnlich zu sein und viel mit ihnen zu teilen. Als Menschen haben wir ein zentrales Selbstwertgefühl, mit dem wir uns mit unserer Umwelt in Beziehung setzen.“ (Ermann, 2010)

 

Die 5.Phase des Stufenmodells der psychosozialen Entwicklung nach Erik H. Erikson (1902 - 1994): Identität vs. Identitätsdiffusion, beschreibt die Bildung der eigenen Persönlichkeit. Individuen fragen sich wer sie sind bzw. wer sie sein wollen. Ideologische Perspektiven werden hinterfragt. Idole und Vorbilder dienen der Orientierung, werden aber wie die eigene Umwelt kritisch betrachtet. Dadurch versuchen die Individuen, die eigene Persönlichkeit zu finden und zu festigen. Sie entdecken Schwächen und Fehler der Menschen im unmittelbaren Lebensumfeld und sie erkennen, dass sie bestimmte Erwartungen nicht erfüllen wollen, oder können. Die Identität muss mühevoll erarbeitet werden. Es  besteht die Gefahr, dass angesichts der Vielzahl von „Identitätsangeboten“ eine eigene Identität nicht gebildet wird. Die Folge wäre eine „Identitätsdiffusion“ und beschreibt einen Zustand der Orientierungslosigkeit. (Storck, 2008, S. 32f)

 

Man sucht seine Identität in der Wechselbeziehung mit seiner Umwelt und die Selbstdarstellung trägt dazu bei, wie man von seiner Umwelt wahrgenommen wird und wie man gerne wahrgenommen werden möchte. Die Betonung hierbei liegt auf das „wahrgenommen werden“ im Sinne von: „Ich handle also bin ich.“ Wenn ich von anderen wahrgenommen werde, kriege ich eine Bestätigung meiner Selbst, im Sinne von: „Mein Gegenüber reagiert auf meine Selbstdarstellung, dadurch weiß ich, dass ich existiere, weil ich wahrgenommen werde“

 

5.4    Aufmerksamkeit ist lebensnotwendig

Friedrich II von Hohenstaufen (1194-1250) wollte in einem Experiment die Ursprache der Menschheit ergründen, indem er Säuglinge versorgt haben soll, aber ihnen jegliche Zuneigung/Aufmerksamkeit versagt hat, indem er diese isoliert haben soll. Durch fehlende Zuneigung sind die Kinder, wie beim heute bekannten „Hospitalismus“ verkümmert und in seinem Experiment sogar, trotz ausreichender Nahrungsmittelversorgung, verstorben. Daran kann man erkennen, wie lebenswichtig ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit ist. 

 

Damit will ich ausdrücken, dass es nicht weiter tragisch ist, wenn man nach Selbstbestätigung in der Öffentlichkeit sucht, solange es nicht ausartet und nur dies alleine das Ziel ist. „Derjenige der seinen Trieb verleugnet, verleugnet genau das was ihn zum Menschen macht.“ (Matrix, 1999)

Man darf sich ruhig mal besser fühlen, das ist nur menschlich, aber man sollte nicht gleich überheblich wirken, dadurch macht man sich nicht unbedingt Freunde.

 

5.5    Wer möchte man sein? 

Fazit: Selbstdarstellung ist allgegenwärtig, um unsere Identität zu entfalten und unsere Existenz zu bestätigen. Selbstdarstellung lässt sich nicht vermeiden, aber die Auswirkungen der Selbstdarstellung auf die eigene Umwelt kann kontrolliert werden. Wer möchte ich sein? Wie sollen mich Menschen sehen? Sollen Menschen mich respektieren, weil ich halsbrecherische Manöver ziehe, um damit die Aufmerksamkeit der Anderen auf mich zuziehen? Oder sollen mich Menschen respektieren, weil ich, ich selbst bin und Dinge mache, bei denen ich nicht bewusst nach Aufmerksamkeit verlange, weil ich mich „selber“, für mich selbst, weiterentwickeln möchte? 

 

Das Selbstbild, das man beim Gegenüber erzeugt, soll das Selbstwertgefühl steigern. Dieses Selbstbild kann jedoch von der Umwelt vollkommen anders wahrgenommen werden und führt unter Umständen dazu, dass das Selbstwertgefühl vermindert wird. 

 

Beispiele: 

Beispiel 1: Man macht etwas, wovon man glaubt, dass es Menschen begeistern und auch Anerkennung finden wird, doch Menschen verurteilen einen als Angeber und man trifft unerwartet auf Hass, Neid und Widerstand. 

Beispiel 2: Man will einem Menschen den man liebt einen „Liebesbeweis“ zeigen, indem man der Person z.B. sagt: „Ich liebe dich.“. Dieser Liebesbeweis wird aber plötzlich als Lüge betrachtet, weil die Person diese Worte schon 1000 Mal von anderen gehört hat und jedes Mal enttäuscht worden ist, obwohl der Liebesbeweis von der Person aufrichtig und ernst gemeint ist.

 

Durch die verschiedenen Erfahrungen der Menschen, werden Situationen anders wahrgenommen. Das sollte man immer berücksichtigen und ein gewisses Verständnis dem Gegenüber aufbringen. Wenn z.B. ein Polizist einen Traceur an einer Hausfassade klettern sieht, ist unter Umständen der erste Gedanke des Polizisten, dass diese Person dort einbrechen möchte. Es hat sich ein Missverständnis aufgetan. Statt die Meinung des Polizisten mit Füßen zu treten, indem man dem Polizisten vorwirft kein Verständnis für „Parkour“ zu haben, sollte man diesen Polizisten, der seinen Beruf ausübt „aufklären“ und den eigenen Standpunkt darstellen, um einen bevorstehenden Konflikt zu vermeiden. Wenn beide Seiten ihre Sichtweisen ausgetauscht haben und kein Kompromiss zu Standen gekommen ist, sollte man verständnisvoll die Örtlichkeiten verlassen und die staatliche Autorität respektieren, alles andere würde nur zu weiteren Konflikten führen und Parkour in ein falsches Licht der Respektlosigkeit führen.

 

Aber trotz der jetzt hier relativ negativ dargestellten Auswirkungen der Selbstdarstellung gegenüber seiner Umwelt, gibt es meiner Meinung nach auch positive Selbstdarstellungen. Eine Selbstdarstellung, die z.B. den Fokus nicht auf die soziale Anerkennung, Belohnung oder Zuneigung legt und sogar dabei Konflikte erzeugen kann, sondern eine Selbstdarstellung, die den Fokus primär auf den positiven Einfluss auf seine Umwelt legt, indem man z.B. Menschen durch sein Tun und Handeln eine Freude bereitet, sie bereichert, oder indem man sich sogar für das Wohlergehen der Gesellschaft einsetzt. Man kann es aber nie allen recht machen und wir immer irgendwie auf Widerstand stoßen, da jeder seine Vorstellung von „gut“ und „böse“ hat. Wie schon William Shakespeare erwähnte: „An sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.

 

Ich stelle noch einmal die Frage: Wer möchtest du sein? „Sag mir einfach, du willst mehr sein. Sag mir, dass du jemand sein willst, der seinen ganzen Verstand und seinen Körper auf eine Art verwendet, zu der die meisten Menschen nie den Mut hätten." (Der Pfad des friedvollen Kriegers, 2008)

 

Hierbei ist „Mut“ nicht im Sinne von: „Bewusst Risiken eingehen“ zu verstehen, sondern „Mut“ im Sinne von: „Habe den Mut, dich selbst zu verwirklichen. Habe den Mut du selbst zu sein.“. Auch wenn dies bedeutet, dass gewisse Risiken an einem besonderen Lebensgefühl verbunden sind. Wenn dies der Fall ist muss man bedenken, dass diese Art des Lebensgefühls, welches große Risiken in Anspruch nimmt, einen im weiteren Verlauf seines Lebens, immens in den Qualitäten seines Lebensstils benachteiligen kann. Somit muss man die Verantwortung seines Handelns tragen und unter Umständen die Konsequenz des unmittelbaren Todes, bei einem Fehler in Kauf nehmen.

 

Kapitel 6    Meine „Parkour-Story“

Mein Name ist Cikey (Aussprache: [zieh-käi]), ich betreibe offiziell seit dem 12.Mai 2006 „Parkour“. Den auslösenden Anreiz meines Interesses bekam ich schon im Jahr 2005, als mir ein Freund das Video, „On Avance Toujours“, mit David Belle gezeigt hat, dessen Namen ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte. Ich dachte beim Zusehen nur: „Wow! Echt irre was der Kerl drauf hat.“. Dieses Video hat mich fasziniert, geradezu gefesselt. Ich wusste bis dahin nicht, dass sowas überhaupt möglich ist. Es wirkte surreal auf mich, wie Computer-Effekte aus dem Matrix-Streifen. Bis dahin hatte das was ich gesehen hatte keinen Namen für mich und ebenso hatte ich bis dahin auch nicht den Gedanken gefasst es selber auszuprobieren, da ich nicht wusste was es ist und weil ich dachte, ich wäre niemals dazu im Stande, so etwas scheinbar „übermenschliches“ zu erreichen. Ich hatte Ehrfurcht.

 

Zufällig bin ich am 12.Mai 2006  auf „Focus TV“, auf die Parkour-Reportage mit Andreas Kalteis, den Shintais, David Belle und den Yamakasis gestoßen. Dadurch wurde mir so langsam bewusst, was diese „Sportart“ bezwecken soll. Mein Interesse an „Parkour“ wurde durch die Philosophie geweckt, die diese Dokumentation vermittelt hat. Hier ein paar Zitate aus dem Bericht, welche mir den Grundbaustein meiner heutigen Sichtweise geliefert haben.

 

Zitate aus dem Focus TV Bericht vom 12.Mai 2006:

Link: http://www.myvideo.de/watch/1285256/Fokus_TV_Reportage

 

David Belle:Man flieht vor dem System, vor dem Druck, vor der Technologie, solchen Sachen. Wenn man auf der Flucht ist, fühlt man sich frei. Wenn man aber anhält, denkt man über seine Probleme nach. Und wenn man sich im Parkour bewegt, sind diese Gedanken weg, weil man sich darauf konzentrieren muss, sich nicht zu verletzen.

 

Andreas Kalteis:Parkour ist nicht nur wildes rumspringen […]. Parkour ist einfach einen Weg gehen, effizient und intelligent. Dieser Kampfgeist, den man bei Parkour hat, nicht stehen zu bleiben, sich von Hindernissen nicht aufhalten zu lassen, [diesen Gedanken], den kann man auch auf alle anderen Bereiche vom Leben anwenden. Wenn man ein Problem hat, geht man das Ganze anders an, wenn man hartes Parkour-Training gewohnt ist.

 

Yann Hnautra:Für mich bedeutet diese Arbeit mein Wissen an die Kinder weiter zu geben. Um zu verhindern, dass die Jugendlichen Fehler machen, oder Zeit verlieren. Die größte Gefahr besteht darin, nichts zu tun. Da werden alle krank, gestresst und traurig, weil sie nicht wissen, was sie machen sollen.“ 

 

Von da an hatte ich den Gedanken gefasst „Parkour“ zu machen. Die Leidenschaft „Parkour“ hat mich gepackt. 

 

6.1    Parkour ist Leben und Leben ist Parkour

Parkour ist nicht nur einfach ein Wochenendtrip, oder ein Seminar. Parkour, das ist mein Leben. Ich habe Parkour sehr viel zu verdanken, denn es hat mich aus schwierigen Situationen in meinem Leben herausgeholt und mir die besten Erfahrungen in meinem Leben ermöglicht. Parkour hat mich einen bewussteren Umgang und eine bewusstere Wahrnehmung meiner Umwelt, meiner Mitmenschen und mir selbst gelehrt. Meine Sichtweise zum Leben hat sich durch Parkour vollkommen zum Positiven gewandelt. 

 

„Parkour“ bedeutet für mich ALLES, es ist in erster Linie für mich ein Gefühl von Freiheit und der Spaß am Leben. Es ist für mich nicht nur einfach Bewegung in rein körperlicher Form, sondern vor allem eine Lebenseinstellung, die mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich heute bin und auf den ich stolz sein kann. Aktuell habe ich keine Vorbilder, sondern nur Inspirationen. Ich will niemanden nacheifern, oder so sein wie jemand anderes. Ich diene mir selbst als Vorbild, inspiriert von meiner Umwelt. Ebenso habe ich meinen eigenen Glauben, den Glauben an mich selbst, der meiner Meinung nach der wichtigste Glaube ist, da jede Konsequenz seines Handelns und alles was einem widerfährt keiner exter-nen, höheren Macht zu schreibt, welche für das Schicksal verantwortlich sein soll. Die Verantwortung liegt ganz bei einem Selbst.

 

Welcher Mensch wäre ich wohl heute, hätte ich Parkour nicht kennen gelernt?

 

6.2    Mein Lebensmotto

Wenn man mich nach meinem Lebensmotto fragen würde, wäre die Antwort: „DO MORE THAN JUST EXIST (Tu mehr als nur zu existieren)“. Diese Worte stehen auf meinem Unterarm wie eine Uhr tätowiert, die mich jeden Tag an meinem persönlichen 11. September erinnert. Mein 11. September ist der 19. November 2011, an dem ich eine gute Freundin und einen guten Freund verloren habe. Dieser Tag erinnert mich daran wie kurz und vergänglich das Leben ist. Es erinnert mich daran die Initiative zu ergreifen, um vielleicht einmalige Chancen wahrzunehmen. Es erinnert mich daran, dass auch Verlust zum Leben gehört und das man mit jeder Situation, wie hart sie auch sein mag, umgehen kann. Es erinnert mich daran, dass das Leben weiter geht und dass vor allem die schönen Erfahrungen/Erinnerungen das Leben ausmachen. Es erinnert mich daran, dass das Leben an sich ein Privileg ist, das man viel zu selten genießt. Es erinnert mich daran nach vorne zu sehen, um mich stetig nach vorne zu bewegen, in eine Richtung die mir sagt, dass ich hier hingehöre, dass ich nicht einfach nur existiere, sondern lebe. Es erinnert mich an das „HIER“ und „JETZT“, an genau diesen Augenblick und daran, dass genau dieser Augenblick im „HIER“ und „JETZT“, das Einzige ist, was für mich und jeden Anderen wirklich zählen sollte. Denn wo, wenn nicht „JETZT“ leben wir? Die Vergangenheit hat einen vielleicht zu dem gemacht, der man „JETZT“ ist und die zukunftsorientierte Planung führt einen in eine Richtung, in die man sich weiterentwickeln möchte. Doch am Ende erfährt jeder die Vergangenheit, wie auch die Zukunft, nur in der Gegenwart, im „HIER“ und „JETZT“. 

 

6.3    Meine drei Grundprinzipien

Zu meiner Einstellung von Parkour habe ich drei Grundprinzipien entwickelt. Diese Grundprinzipien habe ich selber aus meinen Erfahrungen und meinem Verständnis von Parkour abgeleitet. 

 

►Keine Risiken eingehen. - Selbsteinschätzung

- Es sollte alles so weit gehend wie möglich unter kontrollierten Bedingungen stattfinden, um sich selber, wie auch andere nicht zu Gefährden. Jedoch kann ein Risiko nur vermindert werden, aber so stark, dass es prozentual bedenkenlos für einen sein kann, in Bezug auf negative Konsequenzen. Die Verminderung des Risikos, kann durch Konzentration erfolgen und durch Routine. Durch Routine entsteht Kontrolle, um mit den Fähigkeiten bewusst umgehen zu können. Durch Routine kann man ein Risiko verringern. Routine kann man durch Training in sicherer Umgebung erlangen, mit vielen Wiederholungen. Wer seine eigenen Grenzen und Fähigkeiten, körperlich und geistig nicht kennt und einschätzen kann, wird sie durch Erfahrung kennen lernen und erweitern können. 

 

Wenn du dir nicht sicher bist, wirst du es lassen und dich langsam an dieses "Problem" in sicherer Umgebung heran tasten.

 

► Respektiere deine Umwelt. - Leben und leben lassen

- Die Umwelt sollte nicht widerwillig zerstört werden. Die Umwelt ist eine Möglichkeit und dessen sollte man sich bewusst sein. Man ist auf seine Umwelt angewiesen, also sollte man diese respektieren und sich auf seine Umwelt einlassen, indem man sich den äußeren Bedingungen anpasst und nicht umgekehrt. 

Zu der Umwelt gehören auch die Menschen um einen herum, genauso wie man selbst. Ebenfalls ist Privateigentum Teil der Umwelt und sollte respektiert werden. Bei jeder Auseinandersetzung mit der Umwelt sollte man versuchen keine Grenzen zu überschreiten, welche die Toleranz der anderen herausfordert. Zu diesen Grenzen gehören z.B. das Gesetz und die Ansichten anderer, die man respektieren sollte, falls diese angemessen und nachvollziehbar sind und zu keinen negativen Konsequenzen führen. Um negative Konsequenzen abzuwenden, sollte man es vermeiden andere Menschen in ihrer Freiheit zu stören, denn: "Die eigene Freiheit endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt".

 

In deiner Umwelt bist du nur ein Gast, also benehme dich auch so wie einer.

 

►Das Leben beginnt und endet im Hier und Jetzt – Den Augenblick genießen

- Wenn du heranwächst, lernst du, dass selbst die Person, die dich nicht enttäuschen sollte, dich enttäuschen wird. Dein Herz wird gebrochen, wahrscheinlich mehr als einmal und jedes Mal fällt es dir schwerer es zu ertragen. Doch du wirst anderen ebenfalls das Herz brechen, also erinnere dich daran, wie es sich bei dir angefühlt hat. Du kämpfst mit deinen besten Freunden und vielleicht verliebst du dich sogar in sie und du trauerst, weil die Zeit zu schnell an dir vorbeizieht und du eines Tages jemanden verlierst, den du liebst. Also sammle gute Erinnerungen, lache viel, hab Spaß am Leben, vergebe und liebe, liebe so als ob du noch nie verletzt worden bist.

 

Das Leben kommt ohne Absicherung, ohne Auszeiten, ohne eine zweite Chance. Du musst dieses Leben vollkommen ausleben. Habe keine Angst davor Möglichkeiten wahrzunehmen, oder dich zu verlieben, doch am wichtigsten, 

lebe dein Leben genau in diesem Augenblick, 

denn…

Jede Sekunde die du mit Zorn, oder Unzufriedenheit verbringst, ist eine Sekunde Freude, die du nie wieder zurückbekommst.

 

Wenn dein Leben ein Film wäre, würdest du ihn dir ansehen?

 

6.4    Alles ist situationsabhängig

Ich bin der Meinung, dass man nicht jede seiner Einstellungen, oder Prinzipien dauerhaft einhalten kann, egal wie viel Mühe man sich auch geben. Alles im Leben ist situationsabhängig. Je nachdem in welcher Situation man sich gerade befindet und ein Funken Unkonzentriertheit, durch z.B. einen emotionalen Vorfall (in Form von Trauer, Aggression, Freude, etc.), hervortritt, führt zu Unachtsamkeit, wodurch die Prinzipien ungewollt an Priorität verlieren und kurzzeitig aus den Augen verloren werden, um der momentanen priorisierten Emotion Ausdruck zu verleiten. Trotz diesem scheinbar unvermeidbaren situationsbedingtem Kontrollverlust, kann man stetig und täglich sich darin üben, seinen Einstellungen und Prinzipien gerecht zu werden, indem man sich ab und an seinen Einstellungen und Prinzipien widmet, indem man diese reflektiert und sich vor Augen hält, um im Idealfall intuitiv und vernunftbewusst, in verschiedenen Situationen reagieren zu können. Innerhalb dieser Situation sollte man auch die Konsequenzen seines Handelns berücksichtigen, indem man sich Szenarien bildet, wie z.B. das „Worst Case“-Szenario (was passiert im schlimmsten Fall), das „Best Case“-Szenario (was passiert im besten Fall), das „Average Case“-Szenario (was ist durchschnittlich zu erwarten), oder der „GAU“ (was passiert im größten und schlimmsten anzunehmenden Fall). All das und natürlich noch weitere Faktoren, lassen einen Entscheidungen treffen, von denen man selbst in Bezug auf seine Einstellung, oder Prinzipien überzeugt sein kann. Diese Art des Denkens und Abwägens kann schwerwiegende Konsequenzen vermeiden. 

 

Durch die folgenden Beispielfragen kann man Situationen und ihre Folgen besser einschätzen: „Bin ich dazu in der Lage? Habe ich das schon mal in einer ähnlichen Situation geübt? Fühle ich mich heute dazu in der Verfassung? Bin ich fit, habe ich genug Schlaf und Energie (Ernährung/Motivation, etc.). Lenkt mich nichts zu stark ab? Kenne ich mein Umfeld? Was würde mir im schlimmsten Fall widerfahren? Hole ich mir nur einen blauen Fleck, oder riskiere ich gar mein Leben?“. 

 

David Belle:Wenn du Parkour betreibst, weißt du genau zu was du fähig bist und zu was nicht.“ (Belle, 2011)

 

Socrates:Es gibt kein besser. Du bist niemals besser. Genauso bist du bist niemals schlechter als jemand anderes. Die Gewohnheit ist das Problem. Du musst dir lediglich deiner Entscheidungen bewusst sein und Verantwortung für dein Handeln tragen.“ (Der Pfad des friedvollen Kriegers, 2008)

 

 

Kapitel 7    Schlusswort

Wir erzeugen ständig ein Selbstbild, das sich wie der „Schmetterlingseffekt“ auf unsere Umwelt auswirkt. Ich wünsche mir, dass diese Selbstbilder keine negativen Vorurteile gegen Parkour entstehen lassen. Ich möchte ungern Parkour-Verbotsschilder an meinen Lieblingsorten sehen, die mir verbieten meiner Leidenschaft nachzugehen. Ich möchte durch das Verhalten anderer keine Einschränkungen erfahren, die ich vorher nicht kannte. Jeder einzelne kann dazu beitragen, dass Parkour gesellschaftlich anerkannt bleibt und von den Mitmenschen respektiert wird, sodass wir unter Umständen sogar mehr Freiheiten in An-spruch nehmen können. 

Doch jeder darf sich selbst darstellen wie er will, jedoch sollte jeder Verantwortung über sein Handeln tragen und bedenken, dass jedes Verhalten Konsequenzen beinhaltet, positive, wie auch negative Konsequenzen, die sich nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere auswirken. Bedenkt immer:

 

Die eigene Freiheit endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt.

 

 

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